Expansion dank Persil

Rheinfelden

Die Werks- und Industriegeschichte des Standortes Rheinfelden reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Das heutige Werk entstand durch einen Zusammenschluss zweier ursprünglich getrennter Chemiestandorte, die beide auf Unternehmen zurückgehen, die in Evonik Industries aufgegangen sind: die Hüls AG und die Degussa AG.

Beide Gesellschaften errichteten 1898 aufgrund der dort verfügbaren Wasserkraft Produktionsstandorte in Rheinfelden. In Kooperation mit der Aluminium Co. gründete die Degussa AG die Elektro-Chemische Fabrik Natrium GmbH. In der Nähe eines Wasserkraftwerks wurde 1899 die energieintensive Produktion von Natrium und Natriumperoxid aufgenommen. Allerdings blieb der Standort zunächst relativ klein, was sich ab 1907 rapide änderte. In diesem Jahr kam Persil, das, wie die damalige Werbung versprach, „erste selbsttätige Waschmittel der Welt“ auf den Markt. Das „Per“ im Produktnamen steht dabei für die Aktivsauerstoffkomponente (Natrium-) Perborat, eine Innovation von Degussa mit bleichender Wirkung, "Sil" für Silikat, gemeint ist Henkels Bleichsoda.

Der Perboratbetrieb 1952

Die Zahl der Beschäftigten stieg von 60 im Jahr 1899 auf rund 340 im Jahr 1907. Da Rheinfelden die Hauptproduktionsstätte und lange Zeit auch der einzige Standort für Perborate war, profitierte das Werk von der rasanten Persil-Produktgeschichte. Während des Ersten Weltkrieges wurde aus einem Mangel an Borax, einem wesentlichem Vorprodukt von Perborat, die Produktion von Natriumpercarbonat aufgenommen, das heute als wichtigster Waschrohstoff von Evonik Industries gilt. Die Elektro-Chemische Fabrik Natrium ging 1919 komplett in den Besitz der Degussa über.

Vor dem Zweiten Weltkrieg machten allein die Perborate rund 73% der Gesamtproduktion des Werkes aus. Aufgrund seiner vergleichsweise abgelegenen Lage erlitt der Standort kaum Kriegsschäden. Allerdings wurden die Anlagen zur Wasserstoffperoxidproduktion komplett demontiert und in die Sowjetunion transportiert. Als Vorprodukt für die Waschrohstoffe wurde in Rheinfelden nämlich seit 1930 Wasserstoffperoxid eingesetzt, das zuerst nach einem elektrochemischen Verfahren und ab 1965 nach dem eigenen, in Rheinfelden entwickelten Anthrachinonverfahren hergestellt wurde. Nach diesem Verfahren wird auch heute noch weltweit Wasserstoffperoxid produziert. Als umweltfreundliche Chemikalie besitzt Wasserstoffperoxid ein sehr breites Einsatzspektrum, das von der Papier- und Zellstoffbleiche über die Abwasser- und Abluftreinigung bis hin zur Desinfektion von Verpackungsmaterialien reicht.

AEROSIL® Produktion 1956

Auch in den letzten Jahrzehnten spielten die Aktivsauerstoffprodukte in Rheinfelden eine wichtige Rolle. 1944 wurde die Produktion um pyrogene Kieselsäure AEROSIL erweitert. Mehrfache Produktionserweiterungen sowohl bei Natriumperborat als auch bei AEROSIL und beim Natriumpercarbonat führten seit der Nachkriegszeit zu einer Runderneuerung des Standortes.

Gründung des südlichen Werksteils

Auch bei der zweiten Werksgründung war es die Wasserkraft, die den Ausschlag für einen neuen Standort gab. Die Geschichte des Standorts Rheinfelden der späteren Hüls AG, der heutige Werksteil Süd, begann im Jahre 1895 mit der Gründung der Elektrochemischen Werke Rheinfelden GmbH durch Walter Rathenau. Aufgrund technischer Probleme musste Rathenau sein Unternehmen allerdings schon zwei Jahre später an die chemische Fabrik Griesheim-Elektron AG veräußern.

Zunächst stand im neu errichteten Werk die Gewinnung von Natronlauge für Seife, Farbstoffe, Cellulose und Kunstseide im Vordergrund. Später gewann die Erzeugung des Nebenproduktes Chlor mehr und mehr an Bedeutung. Chlorkalk zum Desinfizieren und Bleichen wurde in Rheinfelden in großen Mengen hergestellt, bis 1923 die Produktion von Chlorkohlenwasserstoffen als Lösungs- und Entfettungsmittel begann. Mit dem Aufkommen der Erdölchemie wurden schließlich auch Chlorparaffine u. a. zur Gummibeimischung und Pentachlorphenol für Holzschutzmittel in Rheinfelden hergestellt. Erst in den 1980er Jahren verschwanden die letzten dieser Produkte vom Markt.

Dank der vorhandenen Ausgangsstoffe Chlor, Wasserstoff und Acethylen wurde der südliche Teil des heutigen Werks Rheinfelden 1929 Standort für zwei weitere wichtige Chlorfolgeprodukte: Vinylchlorid und seine polymerisierte Form, Polyvinylchlorid (PVC). Mit dieser Produktion wuchs die Bedeutung des Standortes, der seit 1925 zur I.G. Farbenindustrie gehörte. Erst 1967 wurde dieser Produktionszweig geschlossen.

Während des Zweiten Weltkriegs entstand eine Kooperation mit dem zur Degussa gehörenden Nachbarbetrieb in Rheinfelden. In der Zeit nach 1945 lief unter der französischen Besatzung die Produktion auf niedrigem Niveau weiter. Hergestellt wurden beispielsweise diverse Kompensationswaren. Später wurden auch Sprühdosen mit Vinylchlorid als Treibgas auf den Markt gebracht. Das wichtigste neue Produkt war Siliziumtetrachlorid, das Produkt, das für den Wandel eines chlorproduzierenden Betriebes der Schwerindustrie zu einem Unternehmen für chemische Spezialprodukte steht.

Trichlorsilan dient als Vorprodukt für Reinstsilizium, aus dem Wafer für elektronische Chips gefertigt werden. Die High-Tech-Produkte aus Rheinfelden sind international führend. Sie sind Grundbausteine für Lichtwellenleiter und andere Komponenten in der Telekommunikation.

Zusammenlegung der Werksteile

Im Jahre 1989 erfolgte die vollständige Übernahme der Chemieaktivitäten von Dynamit Nobel durch die Hüls AG. Im Zuge der Fusion von Hüls AG und Degussa zur Degussa-Hüls AG 1999, wurden beide Werksteile zusammengeführt.

Werk Rheinfelden, 1985

Im Werk Rheinfelden produziert Evonik Industries Bleich- und Oxidationsmittel, Waschmittelrohstoffe, Füllstoffe und Mattierungsmittel sowie Silane für unterschiedlichste Anwendungen. Viele der Vor- und Zwischenprodukte, aus denen die hochwertigen Endprodukte hergestellt werden, produziert das Werk Rheinfelden selbst.

Die Werksanlagen umfassen eine Fläche von 378.000 Quadratmetern, was einer Größe von etwa 68 Fußballfeldern entspricht. Mit rund 1.200 Beschäftigten ist das Werk Rheinfelden einer der größten Arbeitgeber der Region.