Der Konzerngründer
Heinrich Roessler, Chemiker und Unternehmer
Mitbegründer und Vorstand der Deutschen Gold- und Silberscheide-Anstalt, der nachmaligen Degussa AG
Nach dem Abitur 1861 besuchte Roessler die chemische Fachabteilung der Höheren Gewerbeschule in Darmstadt und studierte 1862-64 Chemie, Metallurgie und Mineralogie an der Bergakademie Freiberg. Nach einem halbjährigen Praktikum in der Frankfurter Scheideanstalt seines Vaters Friedrich Ernst Roessler setzte er das Studium in Göttingen fort. Dort promovierte Roessler 1866 bei Friedrich Wöhler "Über die Doppelcyanüre des Palladiums". 1867 trat er in die Frankfurter Scheideanstalt ein. Da diese nach der Einverleibung Frankfurts in den preußischen Staat von der städtischen Münze getrennt werden musste, organisierte Roessler deren Verlegung. Zusammen mit seinem älteren Bruder Hector führte er ab 1868 das Privatunternehmen Friedrich Roessler Söhne und baute diese Gold- und Silber-Scheiderei zu einem modernen und leistungsfähigen Betrieb aus.
Nach der Reichsgründung 1871 erhielt das Unternehmen das Angebot, einen Teil der durch die Vereinheitlichung der Währung außer Kurs gesetzten Münzen der ehemaligen deutschen Kleinstaaten zu scheiden. Jedoch reichte das Eigenkapital zur Hinterlegung der vom Reich geforderten Kaution nicht aus. Deshalb wurde der Familienbetrieb 1873 in die Aktiengesellschaft Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler (ab 1980 Degussa AG) eingebracht.
Roessler fungierte als deren erster technischer Direktor. Er entwickelte unter anderem ein 1882 patentiertes Luftfilterungsverfahren. International bekannt wurde das 1890 patentierte Roessler-Edelmann-Verfahren zur Entsilberung von Werkblei. Einen maßgeblichen Beitrag zum Aufschwung des Unternehmens leistete Roesslers Verfahren zur Herstellung von feuerfestem Glanzgold und die von ihm initiierte Einführung des elektrolytischen Verfahrens im Scheidereibetrieb.
Als liberal denkender Unternehmer führte Roessler bereits 1884 den Achtstundenarbeitstag und 1885 Pensions- und Unterstützungskassen ein, ließ 1898 erstmals frei gewählte Arbeiterausschüsse zu und förderte Fortbildungsmöglichkeiten. 1901 schied er aus der Direktion der späteren Degussa aus und hatte 1908 bis 1924 ein Mandat in deren Aufsichtsrat inne. Roessler, der sich auch als entschieden liberaler Politiker profilierte, wurde 1875 in die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung gewählt, der er mit Unterbrechungen bis 1908 angehörte.
Neben seinem umfangreichen Engagement für soziale und bildungspolitische Fragen setzte er sich mit Nachdruck für die Einführung des allgemeinen Wahlrechts ein. 1909 wurde Roessler zum Professor ernannt und 1923 von der Bergakademie Freiberg durch einen Ehrendoktortitel geehrt. Er stand lange Jahre in Briefkontakt mit seinem Doktorvater Friedrich Wöhler und dem Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald.