Von der Idee zum Werk

Wesseling

Innovation als Tradition - kaum ein anderer Standort von Evonik Industries kann diesen Gedanken so berechtigt für sich in Anspruch nehmen wie das Werk in Wesseling am Rhein. Denn wenn auch die Standortgeschichte bis in das Jahr 1880 zurück datiert, so war der Gründergedanke doch ein moderner und innovativer: eine Recycling-Idee des Chemikers Heinrich Zimmermann legte das Fundament für den heutigen Industriestandort.

Zimmermann hatte ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus bis dahin wertloser Gasreinigungsmasse cyanidhaltige Salze, beispielsweise Ferrocyankalium, herstellen ließen. Die Gasreinigungsmasse entstand als Abfallprodukt bei der Herstellung von Leuchtgas, das beispielsweise für Straßenlaternen benötigt wurde. Zur industriellen Verwertung seines neuen Verfahrens suchte Heinrich Zimmermann ein geeignetes Fabrikgelände und fand es in Wesseling zwischen Köln und Bonn am Rhein gelegen. Dort gründete er 1880 zusammen mit seinem Bruder Franz die Firma H. & F. Zimmermann, Wesseling. Keiner der beiden Industriepioniere konnte damals ahnen, dass sie damit den Grundstein für das heutige Industriezentrum im Kölner Süden gelegt hatten. Das Unternehmen der Zimmermann-Brüder ist zugleich die Keimzelle des späteren Degussa-Standortes.

Für die damalige Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler, Frankfurt, eine Wurzel des heutigen Evonik Geschäftsfeldes Chemie, war das innovative Verfahren der Brüder Zimmermann von großem Interesse. Denn das Ferrocyankalium war ein wichtiger Ausgangsstoff für die Edelmetallscheidung, dem Kerngeschäft des Frankfurter Unternehmens. Als Heinrich und Franz Zimmermann ihre Produktion in die 1905 neugegründete Chemische Fabrik Wesseling AG einbrachten, beteiligte sich die Frankfurter Scheideanstalt an dem Unternehmen und steigerte ihren Anteil kontinuierlich, bis die Gesellschaft 1959 schließlich ganz in ihren Besitz überging.

Sieben Jahre zuvor, 1952, hatte die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt bereits ein eigenes Werk zur Herstellung von Blausäure in direkter Nachbarschaft der Chemischen Fabrik Wesseling errichtet. 1980 wurden beide Werke organisatorisch zusammengefasst. Die in Wesseling produzierte Blausäure ist Ausgangstoff für eine Vielzahl von Evonik-Produkten, die in der kunststoffverarbeitenden und pharmazeutischen Industrie ebenso unverzichtbar sind, wie in der Metallveredelung, in der Farbherstellung und bei der Produktion von Pflanzenschutzmitteln.

Silikate und Silica – die chemischen Alleskönner

Gemeinsam mit der Blausäure und ihren Folgeprodukten bildet die Produktgruppe der Silica und Silikate das Herzstück von Produktion und Forschung in Wesseling. Sie werden aus dem Rohstoff Wasserglas hergestellt. Silikate und Silica sind chemische Universalstoffe, die in den unterschiedlichsten Bereichen des täglichen Lebens von Nutzen sind. Sie dienen als Verstärkerfüllstoffe für Kautschukprodukte, beispielsweise bei Autoreifen, um die Haltbarkeit zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken, als Klär- und Absorptionsmittel, zum Beispiel bei der Bierherstellung und als Füllstoffe für Druckfarben, Zahnpasten und Klebstoffe. Silica verbessern darüber hinaus das Fließverhalten von Pulvern, beispielsweise von Löschpulvern oder Gewürzen. In Wesseling betreibt Evonik Industries die weltgrößte Produktion von Silikaten und Silica. Der Standort ist zugleich Silica-Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung.

Das Werk Wesseling im Jahr 2003

Mit der Erfindung von ULTRASIL, einer weißen Kieselsäure, die unter der Leitung von Hans Verbeek entwickelt worden war, hatte das Werk Wesseling bereits 1951 Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet. ULTRASIL® hatte vergleichbare Eigenschaften wie der Füllstoff AEROSIL war aber in der Produktion deutlich günstiger. Nachdem ULTRASIL zunächst für die Herstellung von Gummisohlen verwendet wurde, folgte schon bald der Vertrieb in die Reifenindustrie. So ermöglichte erst ULTRASIL die Produktion der damals überaus schicken und noch heute von einigen Liebhabern bevorzugten Weißwandreifen.

1997 übertrug die Degussa ihre Aktivität auf dem Arbeitsgebiet Methacrylatchemie auf eine neue hundertprozentige Tochtergesellschaft, die Agomer GmbH. Der Firmensitz war in Hanau-Wolfgang. Im Werk Wesseling wurde Methylmethacrylat bereits seit 1964 hergestellt. Dort arbeiteten rund 160 Mitarbeiter im Bereich der Methacrylatchemie für die Agomer GmbH. Sie wurde später der Röhm GmbH zugeschlagen.

Multi-User-Standort mit Zukunft

Wesseling ist ein Standort, an dem sich Tradition und Zukunft begegnen. Heute arbeiten die rund 1.200 Mitarbeiter auf einem Areal von insgesamt 330.000 Quadratmetern, was einer Fläche von ca. 50 Fußballfeldern entspricht. Im Rahmen der Zukunftssicherung hatte die Degussa ein Investitionsprogramm aufgelegt, bei dem 2001 umgerechnet rund 100 Mio. Euro nach Wesseling flossen. Investitionsschwerpunkte waren der Ausbau einer Methionin-Anlage sowie die Kapazitätserweiterung und Modernisierung der Silicaproduktion.

2021 wurde die Methioninanlage stillgelegt.

Mit 16 Fertigungsanlagen zählt Wesseling heute zu den wichtigsten Standorten von Evonik Industries und versendet jährlich 500.000 Tonnen Produkte.