Der "Vater" des Methionins
Werner Schwarze, Chemiker
Werner Schwarze war ein bedeutender Chemiker und Forscher bei der Degussa AG. Zu seinen Haupterfolgen gehören die Entwicklung von D,L-Methionin - heute eines der wesentlichen Produkte im Portfolio von Evonik Industries - sowie das Herbizid Bladex und MDT (Methylmercapto-dichlortriazin).
Schon zu Schulzeiten galt Werner Schwarzes besonderes Interesse den Naturwissenschaften und der Medizin. So schrieb er sich nach dem Abitur zunächst an der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen ein, entschied sich aber nach vier Semestern doch für ein Chemiestudium, das er 1938 mit der Promotion bei dem Nobelpreisträger Heinrich Otto Wieland in München abschloss.
Die Kriegsjahre verzögerten Schwarzes Berufsstart. Seinen Vertrag bei der Degussa schloss Werner Schwarze bereits im November 1940, aber erst ab 1943 konnte er dauerhaft in der Organischen Forschung tätig sein, wo er sich bald mit essentiellen Aminosäuren zu beschäftigen begann.
Aufgrund der schlechten Ernährungslage im Nachkriegsdeutschland galt der Synthese und Anwendung von Aminosäuren ein besonderes Interesse: Methionin sollte Hungerödemen, die bei vielen Menschen infolge von chronischem Eiweißmangel entstanden, entgegenwirken. Zusammen mit den Degussa-Chemikern Hermann Schulz und Hans Wagner suchte Werner Schwarze nach einer technisch durchführbaren Synthese für diese Aminosäure. 1948 hatten sie ein leistungsfähiges Verfahren gefunden. Für die Anwendung sollte sich jedoch bald ein anderer Bereich finden: Untersuchungsergebnisse aus den USA führten wenige Jahre später dazu, dass Methionin nun bevorzugt als Proteinbaustein in Tierfutter eingesetzt wurde. Damit war eines der bis heute erfolgreichsten Arbeitsgebiete der Degussa geboren. Weitere Synthesen von Aminosäuren und verwandten Verbindungen folgten. Evonik Industries ist das einzige Unternehmen, das alle drei für die Tierernährung wichtigen Aminosäuren D,L-Methionin, L-Lysin und L-Threonin produziert.
Ein weiterer Schwerpunkt bei der Degussa war in der damaligen Zeit die Erforschung und Herstellung des Triazins Cyanurchlorid, das zunächst nur als Ausgangsstoff für optische Aufheller und Reaktivfarbstoffe verwendet wurde. Eine Vereinbarung mit dem Hauptkonkurrenten über die gemeinsame Nutzung von Patenten hatte der Degussa eine eigene Produktion ermöglicht. Als nun in den USA Anfang der fünfziger Jahre erstmals ein Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Cyanurchlorid patentiert wurde, begann auch Werner Schwarze in dieser Richtung zu forschen. Forschungsverträge mit der englischen Shell trieben die Arbeiten bei Degussa voran. Sie wurden 1966 gekrönt von einem Triazin, das in Werner Schwarzes Labor entwickelt wurde, und sich als hochaktives Herbizid mit breitem Wirkungssprektrum bei Mais und Getreide erwies. Das entsprechende Patent wurde in 63 Ländern erteilt und das Produkt unter dem Namen Bladex® zum erfolgreichsten Herbizid von Shell - hergestellt bei Degussa.
Forschungsarbeiten beim Schweizer Shell-Konkurrenten Geigy hatten zu einer weiteren Substanzklasse herbizider Cyanurchloridabkömmlinge geführt, den Methylmercaptodiaminotriazinen (Tryatryne). Für deren zentrales Zwischenprodukt Methylmercapto-dichlortriazin (MDT) fand Werner Schwarze Ende der sechziger Jahre ein elegantes Herstellungsverfahren, das die Degussa zum Hauptlieferanten für MDT und Cyanurchlorid in Europa machte.
1978 trat Werner Schwarze – offiziell – in den Ruhestand, widmete sich aber noch bis 1985 im Degussa-Labor der Synthese von Pestiziden. Als im September 1997 bei der Degussa in und im damaligen Forschungszentrum bei Frankfurt „50 Jahre Aminosäuren für die Tierernährung“ gefeiert wurden, ehrte das Unternehmen seinen ehemaligen Forscher unter anderem dadurch, dass es das Werner-Schwarze-Stipendium zur Förderung der Aminosäureforschung ins Leben rief, das bis zum heutigen Tag jährlich vergeben wird.