Er verband Wissenschaft mit Wirtschaft
Ludwig Clamor Marquart, Apotheker und Unternehmer
Der Sohn eines Beamten des Königs Jerôme von Westfalen (ein Bruder Napoleons) erhielt seinen ungewöhnlichen Vornamen nach einem Dienstherrn des Vaters, Ludwig Clamor Freiherr von Schele. Da die Eltern häufig den Wohnsitz wechselten, wurde der Junge von einem in Kassel ansässigen Bruder der Mutter adoptiert.
Nach seinem Abschluss am Gymnasium Carolinium in Kassel im Jahr 1818, trat Marquart bei einem Apotheker im hessischen Dissen in die Lehre. Da diese sehr praktisch ausgerichtet war, versuchte er im Selbststudium seinen theoretischen Hintergrund zu stärken. Die Prüfung zum Apothekergehilfen erfolgte 1823, danach arbeitete Marquart in Lingen und Werden an der Ruhr, bevor er 1828 an die Hofapotheke nach Köln wechselte. Zugleich beschäftigte er sich eingehend mit der wissenschaftlichen Erforschung von Pflanzen und Mineralien.
Im Oktober 1829 kam Marquart nach Bonn. Im Umfeld der dortigen Universität bereitete er sich auf das Examen als Apotheker Erster Klasse vor. Er legte die Prüfung 1832 in Koblenz mit der besten Note ab und wurde ein Jahr später von der Königlichen Regierung in Köln zum Apotheken-Visitator für den Kölner Bezirk bestellt. Zugleich publizierte er 76 Abhandlungen, hauptsächlich in "Buchners Repetitorium der Pharmazie". 1835 promovierte er an der Universität Heidelberg in pharmazeutischer Chemie. Der Versuch, anschließend eine Universitätslaufbahn einzuschlagen, misslang jedoch.
Marquart kehrte nach Bonn zurück und überarbeitete dort im Auftrag seines Heidelberger Doktorvaters Philipp Lorenz Geiger dessen "Handbuch der Pharmacie". Während dieser Arbeit lernte er den Chemiker Justus Liebig kennen, den er bei der Verbreitung von dessen Fleischextrakt unterstützte und dessen Liebig-Horsfordsches Backpulver er später industriell produzierte.
Im November 1837 erhielt Marquart die Genehmigung, in privaten Räumen ein pharmazeutisches Institut einzurichten. Die ersten fünf Studenten traten zum Wintersemester 1838 ein. Unter ihnen befand sich der spätere Analytiker Remigius Fresenius, dessen Institut in Wiesbaden zu Weltruf gelangte. Neben seiner Lehrtätigkeit war Marquart Mitbegründer des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und veröffentlichte zahlreiche Schriften. Am bekanntesten wurde sein "Lehrbuch der praktischen und theoretischen Pharmacie" aus dem Jahr 1842.
1843 verlobte sich Ludwig Clamor Marquart mit der Tochter des Bonner Justizrates Lambertz, die er im Mai 1847 heiratete.
Marquart verfolgte noch immer den Plan einer akademischen Karriere - 1844 erfolgte seine Habilitation zum Privatdozenten. Da er jedoch nur eine Lehre und noch kein Studium absolviert hatte, wurde ihm weiterhin eine Anstellung als Professor verweigert. Auch der anschließende Versuch, in Bonn eine Apotheke zu kaufen und dieser sein pharmazeutisches Institut anzugliedern, schlug fehl. Zum Sommersemester 1845 löste Marquart sein Institut auf, in dem er in sechs Jahren 150 Studenten ausgebildet hatte.
Stattdessen kaufte er mit Unterstützung seines Schwiegervaters ein Grundstück im Bonner Thalweg Nr. 32 und verhandelte mit der Stadt um die Genehmigung zur Errichtung eines chemischen Laboratoriums. Der erste Eintrag ins Buchhaltungsjournal der datiert vom 6. November 1846. Am 1. Dezember startete die Produktion von Feinchemikalien, Reagenzien, Säuren und pharmazeutischen Präparaten. Die Fabrik des Dr. L.C. Marquart, seit 1936 ein Werk der Degussa AG und damit heute von Evoik Industries, ist somit eine der ältesten chemischen Produktionsfirmen Deutschlands.
Ab 1847 hielt Marquart Botanikvorlesungen an der neuen landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf. Das so verdiente Geld half ihm über die schwierigen Anfänge seiner Fabrik - vor allem im Revolutionsjahr 1848 - hinweg. Doch schon bald setzte sich die Qualität der Marquartschen Produkte durch und ihr hervorragender Ruf bewirkte ein schnelles Wachstum der Fabrik.
Zwischen 1860 und 1865 saß Ludwig Clamor Marquart in der neu eingerichteten pharmazeutischen Prüfungskommission der Universität Bonn. Er war Mitglied von 14 wissenschaftlichen Gesellschaften, u.a. der Universal Society for the Encouragement of Arts and Industry, die ihn 1855 zu ihrem Ehrenpräsidenten gemacht hatte.
Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1863 zog er sich jedoch mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben zurück, um sich fortan in erster Linie der Erziehung seiner drei Kinder zu widmen. Nach einer schweren Erkrankung übertrug Marquart die Firma im Januar 1872 auf seine beiden Söhne Paul und Louis. Bereits vier Jahre später aber schied Paul, dem die technische Leitung anvertraut war, nach Unstimmigkeiten wieder aus. Ludwig Clamor Marquarts Gesundheitszustand erlaubte es nicht mehr, noch einmal in die Leitung der Fabrik einzugreifen. Nach einem ersten Schlaganfall 1874 erlitt er fünf Jahre später einen zweiten, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb am 9. Mai 1881. Seine Grabstätte befindet sich bis zum heutigen Tag auf dem Alten Friedhof in Bonn. Das Grabmal, eine Allegorie der Trauer mit der Aufschrift "Familie Marquart", stand bis 1955 auf dem katholischen Friedhof "St. Joseph" in Beuel und ersetzt nun den im Krieg durch Bombentreffer zerstörten Original-Grabstein.