Reiche Ernte, gesunde Umwelt

Kalkstickstoff

Der Erfolg begann mit einem Fehlschlag. Ende des 19. Jahrhunderts machten sich die Chemiker Dr. Adolph Frank und Dr. Nikodem Caro daran, einen Weg zu finden, wie sich mit Hilfe einer Kalkstickstoffsynthese Cyanide herstellen ließen. Cyanide spielen bei der Gewinnung von Edelmetallen eine wichtige Rolle und versprachen in jener Zeit sehr gute Absatzmöglichkeiten. Tatsächlich gelang den beiden Forschern 1895 die erhoffte Synthese. Ein trügerischer Erfolg, wie sich drei Jahre später herausstellte.

Kalkstickstoff-Werbung

Denn 1898 konnte ein Mitarbeiter des Forscher-Teams beweisen, dass während der Reaktion bei Temperaturen jenseits der 1.000 C° nicht das erhoffte Cyanid entstanden war, sondern fast ausschließlich Calciumcyanamid, das später als Kalkstickstoff Furore machen sollte.

Die revolutionäre Tragweite dieses Nachweises war zunächst keinem bewusst. Erst drei Jahre später, 1901, erkannte Dr. Albert Frank, Sohn von Adolph Frank, das enorme Potenzial der Entdeckung. Denn mit der „irrtümlichen“ Kalkstickstoffsynthese war es erstmals gelungen, die praktisch unbegrenzten Vorräte von Luftstickstoff für die Düngung von Feldern nutzbar zu machen. Die industrielle Verwertung des Verfahrens leitete ab 1908 das Ende der bis dahin noch weit verbreiteten Kleebrache in der Felderwirtschaft ein. In der Folge kam es zu einer sprunghaften Vergrößerung der verfügbaren Anbauflächen. Zudem steigerte der Mineraldünger Kalkstickstoff den Ertrag pro Fläche um ein Vielfaches.

Die landwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung in Zeiten rasch fortschreitender Industrialisierung war gesichert. Nachdem das Mittel zunächst als Stickstoff- und Kalkdünger Verwendung gefunden hatte, erkannte man schon bald seine zusätzlichen Wirkungen gegen Unkräuter, Schadpilze und tierische Schädlinge.

Kalkstickstoff stellte somit nicht nur einen Dünger, sondern auch ein Pflanzenschutzmittel dar, was in einer Zeit der rein mechanischen Unkrautbekämpfung einen großen Fortschritt bedeutete. So kann es nicht verwundern, dass die Produktionsmenge von Kalkstickstoff schnell in enorme Größen wuchs. 1910 waren es bereits 30.000 Tonnen, 1928 erreichte die weltweite Produktion gar 1,2 Millionen Tonnen.

Die Entwicklung von Kalkstickstoff hatte im November 1908 auch zur Gründung der Bayerische Stickstoffwerke AG in geführt, aus der 1939 die Süddeutsche Kalkstickstoff-Werke AG (SKW) hervor ging. Sie ist eine der Vorgängergesellschaften des heutigen Evonik-Konzerns.

Kalkstickstoff-Abpackung in den 1930er Jahren

Vom Standort Trostberg aus wird Kalkstickstoff heute in zwei Formen auf den Markt gebracht: gemahlen, also feinpulvrig, und geperlt (PERLKA). In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach zwischenzeitlichem Rückgang wieder angestiegen. Ursache ist unter anderem das Verbot mehrerer Pflanzenschutzmittel, die auf Grund ihrer umweltschädlichen Nebenwirkungen die Zulassungen verloren haben. Infolgedessen setzt die Landwirtschaft wieder verstärkt auf den bewährten Kalkstickstoff. Denn auch nach rund 100-jährigem Einsatz des Düngemittels konnte bis heute keine schädliche Langzeitwirkung auf Boden und Umwelt oder eine Resistenzbildung bei Unkräutern oder Schädlingen beobachtet werden.