Stammsitz der Industrierußaktivitäten

Kalscheuren

Das Werk Kalscheuren ist Ursprung und Stammsitz der Evonik-Industrierußaktivitäten. Der rheinische Standort, südlich von Köln gelegen, ist Produktions- und Forschungsstätte zugleich. In dem Werk werden hochwertige Industrieruße, auch Carbon Black genannt, hergestellt, die unverzichtbarer Rohstoff für die Produktion von Druckfarben, Tonern, Lacken und Kunststoffen sowie für Autoreifen und technische Gummiartikel sind. Mit einer Produktionsmenge von 160.000 Tonnen Industrieruße pro Jahr ist Kalscheuren das größte Werk seiner Art in Europa und das einzige, das drei verschiedene Produktionswege beschreitet: das Flammruß-, das Gasruß-, und das Furnacerußverfahren. Bevor das Werk seine international herausgehobene Stellung einnehmen konnte, hat es eine lange und durchaus wechselvolle Geschichte erlebt.

Werk Kalscheuren, Luftaufnahme 1953

Die Degussa kommt an den Rhein

Die offizielle Werksgründung fällt in das Jahr 1895, als der Unternehmer und Fabrikant August Wegelin seine 1862 gegründete Rußfabrik von Köln-Sülz nach Kalscheuren verlegte. Nach Jahren kontinuierlichen Aufbaus geriet das Werk in der Folgezeit in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Unternehmer zog Konsequenzen und gründete die August Wegelin Aktiengesellschaft, um neues Kapital zu akquirieren. Die, damals noch Deutsche Gold- und Silber Scheideanstalt vorm. Roessler mit Sitz in Frankfurt am Main, erwarb 1932 die Mehrheitsbeteiligung, als die August Wegelin AG nur durch einen Vergleich ihren drohenden Konkurs abwenden konnte. 1939 wurde die August Wegelin AG durch Vermögensübertragung und Umwandlung als Werk Kalscheuren schließlich vollständig in die Degussa AG eingegliedert.

Dass die Standortentwicklung nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Entwicklungen folgte, wurde 1933 deutlich, als das nationalsozialistische Reichswirtschaftsministerium an das Unternehmen herantrat und es aufforderte, Industrieruß aus Basis einheimischer Rohstoffe zu produzieren. Hintergrund war die Autarkiepolitik des NS-Regimes, die darauf abzielte, Deutschlands produzierende Industrie soweit wie möglich von ausländischen Zulieferungen und Konkurrenzprodukten unabhängig zu machen. Die US-Amerikaner hatten allerdings schon nach dem ersten Weltkrieg ein sehr billiges Verfahren für die Herstellung von Gasruß entwickelt, das vor allem für die Fertigung von Autoreifen von großer Bedeutung war und der deutschen Industrie erhebliche Konkurrenz machte. Die Entwicklung einer eigenen Verfahrenstechnik sollte nach dem Willen des Reichswirtschaftsministeriums Abhilfe schaffen. Nach erfolgreichen Versuchen am Degussa-Standort in Frankfurt am Main, wurde in Kalscheuren bereits im September 1934 mit dem Bau einer neuen CK3-Rußfabrik begonnen. Das Kürzel CK3 steht dabei für Continental, die zur Musterung eingesetzte Reifenfirma, Harry Kloepfer, den Chefentwickler des Verfahrens und die 3. Rußprobe, die den entscheidenden Durchbruch bei der Entwicklung gebracht hatte.

Während der alliierten Luftangriffe auf die Industrieanlagen am Rhein erlitt auch der Standort Kalscheuren starke Zerstörungen, ohne dass der Produktionsbetrieb jedoch völlig zum Erliegen kam. Nach Kriegsende erfolgte der Wiederaufbau. In den 50er und 60er Jahren entstanden neue Produktionsanlagen sowie erstmals auch eine eigene Entwicklungsabteilung.

Das Werk Kalscheuren, 1937.

Eine Besonderheit des Standortes Kalscheuren ist die werkseigene Stromerzeugung. Die Anlage, die 1985 weiter ausgebaut wurde, erzeugt aus der Verbrennung von Produktionsabgasen elektrischen Strom, den das Werk in das öffentliche Netz eingespeist hat. Die Strommenge ist so groß, dass sich damit eine Kleinstadt versorgen ließe.

Das Werk Kalscheuren, 2001.

Zukunft gewinnen

In den 1990er Jahren geriet das Werk Kalscheuren unter starken wirtschaftlichen Druck, weil zahlreiche Kunden der kautschukverarbeitenden Industrie dazu übergingen, ihre Produktionen in Niedriglohnländer zu verlagern. Die Degussa AG reagierte auf den verschärften Wettbewerb, indem sie 1997 ein ehrgeiziges Modernisierungs- und Restrukturierungsprogramm für den Standort auflegte. Bis zum Jahr 2005 floss ein dreistelliger Euro-Millionenbetrag in das Programm „Kalscheuren 2005“. Heute ist Kalscheuren das Zentrum der Carbon Black-Forschung sowie der Anwendungstechnik Füllstoffsysteme im Geschäftsfeld Chemie von Evonik Industries.