Vom alten China in die High-Tech-Zeit
Industrieruße
Industrieruße, heute als Pigment Blacks oder Carbon Blacks auf dem Markt, werden nach verschiedenen High-Tech-Verfahren in speziellen Reaktoren hergestellt und sind hochqualitative Produkte der Spezialchemie. Mit dem herkömmlichen Begriff von Ruß haben sie kaum noch etwas gemein. Gleichwohl können sie auf eine uralte Tradition zurück blicken. Denn bereits die frühen Hochkulturen in China und Ägypten erkannten die vorteilhaften Materialeigenschaften und nutzten Ruße als Farbstoff- und Tintenzusätze; in jener Zeit noch ein mühsam zu gewinnendes Gut mit entsprechendem Kaufwert.
Die Massenfertigung von Rußen setzte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Folge der expandierenden Reifenindustrie ein. Als Verstärkerfüllstoff optimieren Ruße die physikalischen Eigenschaften der Reifen und fördern ihre Langlebigkeit. Noch heute verbraucht die Reifenindustrie rund 85 Prozent der weltweit hergestellten Industrieruße. Die übrigen 15 Prozent finden vor allem in der Farben- und Lackindustrie Verwendung, so beispielsweise bei Auto- oder Holzlackierungen. Auch hochauflösende Ausdrucke moderner Kopierer oder Bürodrucker wären ohne die Entwicklung feinster Tintenzusätze auf Industrierußbasis nicht denkbar.
Die Geschichte der Industrieruße im Konzern begann 1932, als die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt, die spätere Degussa AG, die Mehrheitsbeteiligung an der flammrußproduzierenden August Wegelin AG in Kalscheuren südlich von Köln erwarb. Ernst Busemann, kaufmännisches Vorstandsmitglied, hatte die Wachstumschancen im Zuge des prosperierenden Reifenmarktes schnell erkannt und die Übernahme der Fabrik eingefädelt. Zwei Jahre später trat das nationalsozialistische Wirtschaftsministerium an die Degussa heran und forderte sie zur Entwicklung einer Gasrußproduktion auf, die ohne Importrohstoffe betrieben werden konnte.
Hintergrund war die nationalsozialistische Autarkiepolitik, die Deutschland weitestgehend unabhängig von ausländischen Zulieferungen machen sollte. Nachdem der Unternehmenschemiker Harry Kloepfer 1934 den Durchbruch in der Entwicklungsarbeit geschafft hatte, lief noch im gleichen Jahr die industrielle Fertigung im Werk in Kalscheuren an. Kloepfer hatte mit dem sogenannten CK-3-Verfahren eine Methode zur Gasrußfertigung gefunden, die die deutsche Reifenindustrie von US-amerikanischen Importen unabhängig machte. Damit hatte Kloepfer das amerikanische Monopol durchbrochen. In Kalscheuren, dem ersten Fertigungsort, läuft heute die größte Industrierußproduktion Europas.
Grundsätzlich lassen sich drei Herstellungsverfahren unterscheiden: das Flammruß-, das Degussa-Gasruß-, und das Furnaceverfahren. Beim Flammrußverfahren entsteht Ruß durch thermisch-oxidative Spaltung von Ölen, beim Degussa-Gasrußverfahren werden gesättigte Trägergase gespalten und das Furnaceverfahren setzt ebenfalls auf die thermisch-oxidative Spaltung von Ölen. Aus den drei Verfahren resultiert eine breite Palette unterschiedlicher Pigment Blacks, die sich in ihrer Teilchengröße, Struktur, Oberfläche und Oberflächenchemie unterscheiden.
Das Geschäft mit Carbon Black, bzw. Pigment Black und somit auch der traditionsreiche Standort Kalscheuren, wurden zum 31. Juli 2011 von Evonik Industries veräußert.