Unternehmensentwicklung, Nationalsozialismus, Kriegsausbruch
1930
Die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt fusionierte mit der Holzverkohlungs-Industrie (HIAG) in Konstanz. Ein Jahr später wurde das zweite große deutsche Holzverkohlungsunternehmen, der Verein für Chemische Industrie AG, mit Sitz in Frankfurt am Main erworben. Durch die Fusion kam eine Vielzahl von organischen Chemieprodukten zur Scheideanstalt und späteren Degussa. Aus ihnen ging später beispielsweise die Herstellung von Acrolein hervor, das nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Methionin-Synthese große Bedeutung erlangte. Der Futtermittelzusatz Methionin gehört bis heute zu den Erfolgsprodukten Evonik Industries und wird weltweit in großen Mengen hergestellt.
1932
Die Degussa erschloss sich mit dem Einstieg in die Industrierußproduktion ein Arbeitsgebiet, das lange Zeit von großer Bedeutung für das Unternehmen wurde. Dazu erwarb das Unternehmen die Mehrheitsbeteiligung an der August Wegelin AG in Kalscheuren bei Köln. Die August Wegelin AG ging 1938 als Werk Kalscheuren ganz im Degussa-Konzern auf. Im Laufe der Jahre wurde die Degussa zu einem der größten Hersteller von Industrierußen. Im Zuge einer Portfolio-Bereinigung verkaufte die Evonik Industries AG das Geschäft allerdings 2010.
1933
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 führte zu tiefgreifenden Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Das Wirken der Degussa und anderer Vorgängergesellschaften der Evonik Industries AG in der Zeit von 1933 bis 1945 wurde inzwischen wissenschaftlich erforscht. 1997 hat der Konzern dazu einen Forschungsauftrag an den renommierten amerikanischen Historiker Prof. Dr. Peter Hayes von der Northwestern University, Evanston/Illinois, vergeben, der die Rolle der Degussa in der Zeit des Nationalsozialismus umfassend, systematisch und unabhängig durchleuchtet hat. Zwei weitere unabhängige Studien beschäftigen sich mit der Rolle der Degussa als größter Scheideanstalt im Edelmetallbewirtschaftungssystem des "Dritten Reiches" und mit der Geschichte der Chemische Werke Hüls GmbH in Marl seit ihrer Gründung 1938 (s. dazu auch: Degussa in der NS-Zeit und Hüls in der NS-Zeit)
Die Degussa erwarb in Hanau-Wolfgang die Deutsche Kunstleder-Werke GmbH inklusive eines großen Waldgeländes. Das Unternehmen, ab 1947 Zweigniederlassung Wolfgang der Degussa, produzierte bis 1975 vornehmlich Kunstleder. Ende der 1950er Jahre wurden in Wolfgang die Forschungsarbeiten der Degussa zusammengefasst. Auch heute ist der Standort, jetzt Industriepark Wolfgang GmbH, der größte Forschungsstandort von Evonik Industries.
Die Methacrylat-Forschung der Röhm & Haas AG in Darmstadt brachte 1933 ein Produkt hervor, das einen nahezu beispiellosen Siegeszug antreten sollte: PLEXIGLAS®, ein Kunststoff, der ganze Wirtschaftszweige zu neuen Produkten inspirierte. Der große Erfolg beruhte auch auf der kriegswichtigen Bedeutung von PLEXIGLAS®, z. B. für gläserne Flugzeugkanzeln. Heute ist die Fertigung von PLEXIGLAS® , ein wichtiges Geschäft der Evonik Industries AG.
1934
Erstmals beteiligte die Degussa alle Mitarbeiter am Unternehmensgewinn. Die „Anordnung über die Gewährung von einmaligen Jahresvergütungen an die Gefolgschaft der Scheideanstalt“ wurde 1952 durch die Betriebsvereinbarung über die Weihnachtsvergütung für Arbeiter und Angestellte abgelöst.
Die Röhm & Hass AG stieg mit der Produktion von Enzymen zur Fruchtsaftgewinnung und -klärung in den Lebensmittelsektor ein. 1999 wurde dieses Geschäftsgebiet verkauft.
1936
Mit dem Erwerb der Dr. L. C. Marquart AG in Bonn-Beuel kam ein weiterer Standort zur Degussa. Das Unternehmen war 1846 als Dr. L.C. Marquart OHG zur Herstellung von Spezialchemikalien gegründet worden. Dieser Erwerb eines Unternehmens aus jüdischem Besitz ist eine von mehreren so genannten Arisierungen der Scheideanstalt in der NS-Zeit, als viele bedrohte Juden ihren Besitz veräußern mussten. Ab 1979 wurde der Standort als Werk Beuel (Marquart) geführt. 1999 kam das Werk organisatorisch zum Degussa-Werk Wesseling. Im vormaligen Werk Beuel produziert Evonik Industries bis heute Mattierungsmitteln für Farben und Lacke produziert.
1937
Auf der Pariser Weltausstellung erhielt die Röhm & Haas AG für ihre Erfindung PLEXIGLAS® den Grand Prix, die höchste Auszeichnung der Ausstellung, sowie eine Goldmedaille. Mit der Einrichtung der Abteilung „Darmstädter Neue Glaskunst“ der Röhm & Haas AG nahmen sich auch Künstler und Kunsthandwerker des neuen Werkstoffes an.
Im gleichen Jahr rief das Unternehmen eine Altersversorgung ins Leben, die ab 1940 als Werkhilfe Röhm & Haas eine freiwillige Notunterstützung und den in den Ruhestand getretenen Mitarbeitern eine rechtlich gesicherte Firmenrente gewährte.
1938
Die I.G. Farbenindustrie AG und die Bergwerksgesellschaft Hibernia gründeten die Chemische Werke Hüls GmbH, Marl, eine weitere Wurzel der Evonik Industries AG. Das neue Werk am nördlichen Rand des Ruhrgebiets produzierte den synthetischen Kautschuk Buna. Die Patente für die Buna-Produktion nach dem Lichtbogen-Verfahren stellte der mehrheitliche Anteileigner I.G. Farben kostenlos zur Verfügung. Im Gegenzug musste sich die Chemische Werke Hüls GmbH verpflichten, der I.G. Farben alle Verfahrensverbesserungen sowie den Vertrieb der Buna-Produktion zu überlassen. Zudem gehörte das Grundstück, auf dem das Marler Werk errichtet wurde, der I.G. Farbenindustrie AG. Über die gesamte Entwicklung des Unternehmens und seiner Auswirkungen auf Marl berichtet das 2003 erschienene Buch „Chemie und Politik. Die Geschichte der Chemischen Werke Hüls 1938 bis 1979“ von Paul Erker und Bernhard Lorentz.
Nach der Pogromnacht am 9. November 1938 ließ die Reichsregierung alles Gold, Silber und Platin der Juden beschlagnahmen. Das gesammelte Edelmetall kam in die Scheidereien und die Reichsbank erhielt das entsprechende Gewicht in neuen Barren. Die Degussa als größte Edelmetallscheiderei verdiente dabei gut an Scheidegebühren und Zwischenhandel. Auch bei den Ausraubungen der Juden in ganz Europa zwischen 1940 und 1945 war die Degussa in großem Umfang beteiligt: Lieferungen von Zahngold aus Ghettos und Konzentrationslagern kamen teilweise direkt in die Scheidereien; ob dies den Führungskräften bekannt war, lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen.
1939
In Darmstadt ging mit dem Tod des Firmengründers Otto Röhm im September des Jahres ein Kapitel Unternehmensgeschichte zu Ende. Röhm hatte die Röhm & Haas mit gegründet und als Unternehmer und Erfinder über mehr als 30 Jahre hin wesentlich geprägt. Sein Sohn, Otto Röhm, musste als Halbjude das Untenehmen seines Vaters auf Anordnung der nationalsozialistischen Machthaber 1940 verlassen. Er ging in die Schweiz und konnte erst nach seiner Rückkehr im Juni 1945 in die Geschäftsführung der Röhm & Haas GmbH eintreten.
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