Krieg und Krisen

1910

Unter Beteiligung der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt erfolgte die Gründung der Chemische Fabrik Weissenstein Ges.m.b.H., aus der später die Österreichische Chemische Werke Ges.m.b.H., Wien/Österreich, hervorging. Die Gesellschaft betrieb in Weißenstein, Kärnten, die erste elektrolytische Wasserstoffperoxidfabrik der Welt und wurde somit Namensgeber wurde für das „Weißensteiner Verfahren“. Dieses ermöglichte erstmals die großtechnische Produktion von Wasserstoffperoxid. Auf diese Weise konnte die damalige Degussa den Waschmittelzusatz Perborat einfacher und günstiger produzieren. Das Weißensteiner Verfahren wurde 1967 durch das Anthrachinonverfahren der Degussa abgelöst. Am 21. April 1997 lief in Weißenstein eine neue Pilotanlage mit einer neuen Verfahrenstechnik an, mit der der Energie- und Rohstoff-Einsatz deutlich verringert werden sollte. Heute produziert die Evonik Degussa Peroxid GmbH in Weißenstein neben Wasserstoffperoxid u.a. Peressigsäure und Polyoxicarbonsäuren.

Die Firma Röhm & Haas richtete auf ihrem Darmstädter Werksgelände eine Versuchsgerberei ein, um eine stets einwandfreie Qualität des mittlerweile weltweit vertriebenen Lederbeizmittels OROPON zu gewährleisten. 1911 wurde es auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Auch Goldschmidt erhielt auf dieser Ausstellung eine Auszeichnung für das 1907 gestiftete Erholungsheim für Mitarbeiter.

1911

Am 7. Juli erfolgte die Gründung der Th. Goldschmidt AG mit einem Aktienkapital von anfangs 10 Millionen Reichsmark. Die Brüder Hans und Karl Goldschmidt behielten den größten Teil des Kapitals, während ein kleinerer Anteil an die Börse gegeben wurde.

Bei Röhm & Haas wurde die Forschung über Acrylkunststoffe aufgenommen. 1927 wurde ein erstes Patent für ein Lösungspolymerisat aus Äthylacrylat, das sogenannte PLEXIGUM, angemeldet. 1928 gelang der Durchbruch mit einem Methacrylat-Patent, dem bis 1933 weitere Patente für PLEXIGLAS folgten.

1912

Die Th. Goldschmidt AG erwarb ein Zweigwerk in Mannheim-Rheinau. Bereits 1904 hatte das Unternehmen die Mehrheit an den Chemischen Werken Gernsheim-Heubruch angekauft, einem Konkurrenten in der Fabrikation von Zinnsalz. Diese Gernsheimer Werke erwarben nun die Chemische Fabrik Rhenania in Rheinau mit einem verkehrsgünstigen, entwicklungsfähigen Firmengelände. Dorthin wurden alsbald die Aktivitäten verlagert, bis die alten Werke in Gernsheim und Heubruch schließlich aufgegeben werden konnten und Rheinau durch völlige Fusion zu einer Zweigniederlassung der Th. Goldschmidt AG wurde.

Hans Stockhausen und seine Brüder Julius jr., Adolf und Ferdinand legten in Krefeld durch eine Umgründung den Grundstein für die Chemische Fabrik Stockhausen & Cie. OHG, die Wurzel des heutigen Standortes Krefeld der Evonik Industries AG. Der Firmensitz lag damals wie heute auf jenem Gelände am Bäkerpfad, auf dem bereits 1907 ein Zweigwerk der Handelskommandit-Gesellschaft Crefelder Seifenfabrik Stockhausen &Traiser errichtet worden war. Das junge Unternehmen der Stockhausen-Brüder produzierte neben der Monopolseife antistatische Reinigungsmittel für Teppiche. Heute reicht die Produktpalette des Standortes Krefeld von Superabsorbern für die Hygieneindustrie über Hautschutzprodukte bis hin zu speziellen Polymeren für die Landwirtschaft, die Kabel- und Verpackungsindustrie sowie die Brandbekämpfung.

1914

Mit dem Eintritt des späteren Nobelpreisträgers Friedrich Bergius erhielt die gezielte chemische Forschung bei Goldschmidt einen völlig neuen Stellenwert. Bergius' Hauptforschungsgebiet war die Äthylenchemie, bekannt wurde er aber vor allem durch seine kriegsbedingt aufgenommenen Forschungen über die Hydrierung von Steinkohle zu Öl. So bahnbrechend diese Arbeiten waren, so komplex waren sie auch. Insbesondere die Großversuchsanlage im Werk Rheinau verschlang immense Mittel und litt unter technischen Schwierigkeiten. 1918 sah sich Goldschmidt gezwungenermaßen nach Partnern um, mit denen das Konsortium für Kohlechemie gegründet wurde. 1924 stieg man aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit der Kohleverflüssigung aus diesem aus. Friedrich Bergius, der von 1916 bis zu seinem Ausscheiden 1919 sogar im Vorstand der Th. Goldschmidt AG war, erhielt für seine Arbeiten schließlich 1931 den Nobelpreis für Chemie.

Die Firma Röhm & Haas führte neben den Lederhilfsmitteln weitere auf Enzymen basierende Produkte in den Markt ein, darunter BURNUS , das erste enzymhaltige Wäsche-Einweichmittel der Welt. Um auf dem Seifensektor Fuß zu fassen, erwarb die Röhm & Haas 1916 die in der Darmstädter Nachbarschaft ansässige Seifenfabrik August Jacobi.

1915

Im Rahmen der Kriegswirtschaft beauftragte das Reichsschatzamt die Bayerische Stickstoffwerke AG, zwei weitere Produktionsstätten, in Piesteritz bei Wittenberg und Chorzow in Oberschlesien, zu errichten. Kalkstickstoff wurde dringend als Düngemittel benötigt, da andere Stickstoffdünger auf Salpeterbasis überwiegend zur Herstellung von Schießpulver und Sprengstoff verwendet wurden. Die Kapazitäten des Werks Trostberg wurden durch zusätzliche Carbid- und Kalkstickstoff-Mahlanlagen vergrößert.

1916

Die Beschlagnahme der britischen Tochtergesellschaften traf die Th. Goldschmidt AG ebenso empfindlich wie der Notverkauf der US-amerikanischen Beteiligungen unter hohen Verlusten. Mit dem Notverkauf kam man aber zumindest der absehbaren Konfiszierung beim Kriegseintritt der USA 1917 zuvor. Verloren gingen durch den Krieg darüber hinaus die weltweite Einkaufsorganisation für Weißblech und zahlreiche Patente.

1917

Nachdem der deutsche Anteil an der Röhm & Haas-Filiale in Philadelphia nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg sequestriert worden war, entstand das selbständige Unternehmen, die Rohm & Haas Company, Philadelphia. Die Leitung hatte Otto Haas inne, der mittlerweile amerikanischer Staatsbürger geworden war. Die Kontakte waren zunächst unterbrochen, lebten aber in den 1920er Jahren wieder auf. Otto Haas befasste sich in den 1930er Jahren auf Wunsch von Dr. Otto Röhm mit der Erforschung von Enzymkulturen. Nach 1945 ging die Rohm & Haas Company eigene Wege und entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Chemieunternehmen in den USA.

1918

Die Enteignung der Beteiligungen in den Ländern, die gegen Deutschland im Krieg gestanden hatten, traf die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt im Fall ihrer amerikanischen Tochtergesellschaften besonders hart. In die ständig expandierenden amerikanischen Unternehmen hatte das Frankfurter Unternehmen im Laufe der Zeit sein gesamtes Fabrikationsprogramm eingebracht. Nun befand es sich in den Händen der Konkurrenz. Erst 1973 gründete die vormalige Degussa in den Vereinigten Staaten wieder eine eigene Produktionsgesellschaft.

1919

Gemeinsam mit der Accumulatorenfabrik Hagen gründete Goldschmidt die Elektro Thermit GmbH in Berlin-Tempelhof, um die von beiden Unternehmen entwickelten Schweißverfahren zu bündeln. Nachdem sich herausstellte, dass lediglich das Thermit-Verfahren die Erwartungen erfüllte, erwarb Goldschmidt 1922 sämtliche Anteile der Elektro Thermit. Als erfolgreichster Geschäftszweig zwischen den Kriegen hatte das Thermit-Geschäft großen Anteil daran, dass Goldschmidt die Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1933 vergleichsweise besser überstand als viele Konkurrenten.

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