Paul Baumann, Chemiker und Unternehmer
Erster Produktionsleiter und nach 1945 Geschäftsführer und Vorstand der Chemischen Werke Hüls
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg 1918 begann Paul Baumann zunächst ein Chemiestudium, wechselte jedoch bald und studierte schließlich Physik in Heidelberg. In seiner Dissertation erörterte er das Verhalten von elektrischen Strahlen in Gasen („Diffusion langsamer Kathodenstrahlen in Gasen“) und promovierte 1923 mit „summa cum laude“. Am 1. September 1923 nahm Baumann eine Tätigkeit im Werk Oppau der BASF AG auf und wurde 1925 zum Betriebsleiter im Primärstoffbetrieb ernannt. Im gleichen Jahr gründete die BASF zusammen mit weiteren Chemieunternehmen die I.G. Farbenindustrie AG. Ab 1928 leitete Baumann eine Versuchsanlage zur Herstellung von Acetylen aus Kohlenwasserstoff nach dem Lichtbogenverfahren, das bereits in den 1860er Jahren von Berthelot beschrieben worden war.
Nachdem die I.G. Farbenindustrie 1929 einen Kooperationsvertrag mit der Standard Oil of New Jersey zur Hydrierung von Kohle und Schwerölen abgeschlossen hatte, erhielt Paul Baumann 1930 den Auftrag, in diesem Projekt auf Seiten der I.G. Farbenindustrie die großtechnische Erzeugung von Acetylen als Rohstoff für den künstlichen Kautschuk Buna im Lichtbogenverfahren voran zu treiben. Von 1930 bis 1935 war er daher in Baton Rouge/Louisiana (USA) tätig. Nach diesen erfolgreichen Vorarbeiten wurde unter Baumanns Leitung ab 1935 eine Lichtbogen-Anlage in Leuna erbaut.
Am 9. August 1938 übernahm Paul Baumann die Leitung der Produktionsbetriebe zur Herstellung von Buna und Ethylenoxid-Folgeprodukten der Chemische Werke Hüls GmbH (ChWH) in Marl. Dabei handelt es sich um den heutigen Chemiepark Marl von Evonik Industries. Unter seiner Führung konnte trotz kriegsbedingte schwieriger Umstände 1940 die Buna-Produktion aufgenommen und lange Zeit auf einem hohen Niveau gehalten werden.
Im Mai 1945 war es hauptsächlich dem persönlichen Einsatz von Paul Baumann zu verdanken, dass das Werk nicht durch deutsche Truppen gesprengt wurde. Schon einige Wochen nach Kriegsende gelang es ihm, die Produktion wieder in Gang zu setzen. Er wurde von der Militärregierung zum Kommissarischen Geschäftsführer bestellt. Unter Baumanns Leitung wurde das Werk weitgehend neugegründet und in den nächsten 16 Jahren zu einer weiteren Blüte geführt. Es erhielt eine neue Produktbasis. So wurde in der Nachkriegszeit die Herstellung von Waschrohstoffen, Polyvinylchlorid und Lösungsmitteln aufgenommen.
1953 übernahm Baumann den Vorsitz der nun von der GmbH in eine AG umgewandelten Chemischen Werke Hüls. An neuen Produkten kamen Polyethylen und Polypropylen nach dem Ziegler-Verfahren hinzu. Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit war mit dem Aufbau einer Verkaufsorganisation und einer Anwendungstechnik begonnen worden. Internationale Kontakte wurden geknüpft, sowohl durch Vertriebsgesellschaften, als auch durch Tochterfirmen.
Paul Baumann erhielt Ehrungen von zahlreichen Institutionen. 1950 wurde er von der Westfälischen-Wilhelms-Universität in Münster zum Honorarprofessor und 1963 zum Ehrensenator ernannt. 1959 erhielt er das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland sowie 1960 die Carl Dietrich Harries Plakette für seine Verdienste um die Buna- und Perbunan-Erzeugung. 1983 wurde in Marl ein Straßenstück am Südtor der vormaligen Hüls AG mit Ratsbeschluss in „Paul Baumann-Straße“ umbenannt. Es trägt diesen Namen bis heute.