Die Geschichte der Stockhausen GmbH

Anfänge als Seifenfabrik

Die Stockhausen GmbH geht auf eine kleine Seifenfabrik zurück, die im Jahr 1873 am damals südlichen Stadtrand von Krefeld gegründet wurde. Mitinhaber und Betriebsleiter war der Seifensieder Philipp Traiser aus Württemberg. 1879 trat der Textilkaufmann Julius Stockhausen (1851 – 1920), aus Lindlar bei Köln, als Prokurist in diese Firma ein. Am 1. November 1880 gründeten sie die „Crefelder Seifenfabrik Stockhausen & Traiser“, eine Kommanditgesellschaft, die den Betrieb der gleichzeitig liquidierten Vorgängerin übernahm. Produziert wurden, wie bisher schon, verschiedene Seifen für die Krefelder Textilindustrie.

Werk Krefeld, Bäkerpfad, historische Ansicht

Nach dem Tod Philipp Traisers im Jahr 1882 übernahm Julius Stockhausen neben der kaufmännischen auch die technische Leitung der Fabrik. 1884 wurde die „Marseiller Seife“ wichtigstes Produkt; sie kam vor allem bei der Seiden- und Wollfabrikation als Reinigungs- und Netzmittel zum Einsatz. Julius Stockhausen verfeinerte sie sehr und erweiterte ihren Einsatzbereich erheblich. Der stetig wachsende Erfolg seiner Firma wurde durch enge Zusammenarbeit mit den Kunden und die Einführung bis dahin nicht branchenüblicher Qualitätsstandards begründet.

1896 ließ sich Julius Stockhausen das Herstellungsverfahren für eine gelatineartige Seife patentieren. Diese entwickelte er zur am Markt überaus erfolgreichen „Monopolseife“, die auch in der Lederindustrie eingesetzt wurde. In der Folgezeit wurden auf Basis der Monopolseife weitere Textil- und Lederhilfsmittel entwickelt. So erlangte 1904 das Fettlösemittel „Tetrapol“ Produktionsreife, dem bis 1912 mit „Terpinopol“ und „Tetralix“ weitere derartige Mittel zur Fleckentfernung folgten. Die Anfangsbuchstaben dieser drei Handelsnamen wurden zu einem Tripel-T kombiniert, dem Firmenzeichen von Stockhausen & Cie., das bis zur Eingliederung der Firma in die Degussa AG im Jahr 2001 gebräuchlich war.

Auf Tetrapol-Basis wurde 1909 die Fettlöserseife Verapol entwickelt, die insbesondere bei fetthaltigem Schmutz und Blutflecken sehr wirksam war. Wäschereien und Krankenhäuser gehörten zu den hauptsächlichen Einsatzorten. Eine Weiterentwicklung stellten Benzinseifen dar, die die Verfahren der chemischen Reinigung sehr verbesserten. Der Reinigungseffekt des Waschbenzins wurde stark erhöht und die bis dahin für diesen Reinigungstyp erhebliche Brandgefahr gebannt.

Die Unternehmensentwicklung

Im Januar 1907 begann die freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co., Elberfeld, später Leverkusen, die 84 Jahre währte. Bayer übernahm in einem Exportvertrag den Auslandsverkauf und leistete als stiller Gesellschafter eine Kapitaleinlage bei der Firma Stockhausen & Traiser. Ebenfalls 1907 wurde am Bäkerpfad 25 - bis heute der Firmen-Standort - eine zweite Fabrik errichtet. Hier wurden Monopolseife und weitere chemische Produkte hergestellt, darunter ab 1912 das erste Lederfettungsmittel Coripol. Die Seifenproduktion verblieb im Stammwerk. Am 1. Dezember 1912 wurde das zweite Werk als „Chemische Fabrik Stockhausen & Cie.“ verselbständigt. In dieser Familiengesellschaft waren die vier Söhne von Julius Stockhausen tätig. Die Leitung lag in den Händen von Adolf Stockhausen, der diese Funktion bereits 1914 wieder aufgab, und Hans Stockhausen (1879 - 1951), der die Firma bis zu seinem Tod führte. Das Lieferprogramm umfasste im Wesentlichen Hilfsmittel für die Textil-, Leder- und Reinigungs-Industrie sowie für die Pelzveredelung. Stockhausen & Cie. wurde in den Exportvertrag mit Bayer integriert. Diese vertragliche Bindung ging 1925 auf die I. G. Farbenindustrie AG über. Mit deren Zerschlagung im Jahr 1945 endete der Exportvertrag und Stockhausen & Cie. baute deshalb seit 1947 eine eigene Vertriebsorganisation für das Ausland auf. Eine stille Beteiligung an Stockhausen & Cie., die schon seit 1912 bestand, ging im Jahr 1951 wieder auf die Bayer AG über, und wurde 1952 in eine Kommanditeinlage umgewandelt. Zum 1. Juli 1991 übernahm die damalige Hüls AG, Marl, diese Beteiligung und dazu Anteile der Gründerfamilie. 1996 erwarb die Hüls AG auch die restlichen Geschäftsanteile der Familie Stockhausen.

Expansion mit neuen Produkten

Die Chemische Fabrik Stockhausen & Cie. nahm nach ihrer Gründung und im Ersten Weltkrieg einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung. 1921 wurde sie in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. 1927 wurde „Praestabitöl V“ patentiert, das sich durch eine besondere Beständigkeit gegen Elektrolyte, Säuren und Laugen auszeichnete und in der Faser-, Textil-, und Lederindustrie sowie in der Pelzveredlung zum Einsatz kam. 1930 erlangte ein Lederfettungsmittel Produktionsreife, das es erstmalig erlaubte Fettungsprozesse schon während der Mineralgerbung durchzuführen. Ab 1932 entwickelte Stockhausen auf Anregung eines Dermatologen das erste schwachsaure und seifenfreie Hautreinigungsmittel, das seit 1934 als „Praecutan" erfolgreich ist.

Praecutan wurde schon damals dermatologisch getestet. Es führte zur Aufhebung des bis dahin bestehenden Waschverbots für Ekzemkranke. Auf Veranlassung der Deutschen Arbeitsfront wurde es vor dem Zweiten Weltkrieg in sehr vielen Betrieben als Hautreiniger eingesetzt und hatte das weitestgehende Verschwinden der bis daher sehr problematischen Ölakne zur Folge. Während des Krieges brachte die Praecutan-Abteilung eine stark verdünnte Version, „Praecutan 1941“, und erste Hautschutz-Präparate auf den Markt. Nach dem Krieg war „Praecutan 1941“ das wichtigste Produkt. Allerdings handelte es sich um einen der kriegsbedingten Ersatzstoffe und war deshalb nach der Währungsreform von 1948 auf dem Markt kaum mehr absetzbar. Der aus der Praecutan-Abteilung hervorgegangene Hautschutzbereich bildet den Ursprung des heutigen Geschäftsgebietes STOKO Skin Care. Dieses ist derzeit Europas führender Hersteller von Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflege-Produkten für die beruflich belastete Haut

"Reorganisation" nach dem Zweiten Weltkrieg

Zwar hatte das Werk am Krefelder Bäkerpfad den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschädigt überstanden. Dennoch mussten der Geschäftsbetrieb und die Verkaufsorganisation reorganisiert werden. Gleichzeitig begann in Krefeld die Produktion des Schaumbekämpfungsmittels „Antispumin". 1952 wurde das Patent über ein Verfahren zum schnellen Klären von trüben Lösungen erworben, auf dessen Grundlage „Praestol“ entwickelt wurde, ein sehr erfolgreiches Flockungshilfsmittel, das heute vor allem in der Trinkwasseraufbereitung und der Abwasserreinigung, ferner im Bergbau, in der Papier- und in der Erdölindustrie eingesetzt wird. 1958 gelang es erstmalig, Felle vor der Verarbeitung so umfassend zu bleichen, dass das bis dahin nur eingeschränkte Färben von Pelzwerk möglich wurde. Zwischen 1952 und 1962 verdreifachte sich der Umsatz der Firma Stockhausen; das Werk wurde zur Dauerbaustelle. Nach mehrfachen Erweiterungen erreichte das Betriebsgelände 1980 seine heutige Größe. 1979 erwarb die im Jahr zuvor in den USA als Verkaufsorganisation gegründete Stockhausen Inc. eine Chemiefabrik in Greensboro, North Carolina. Dort werden seither Stockhausen-Produkte für den nordamerikanischen Markt hergestellt.

Werk Krefeld, Bäkerpfad, Luftbild von Südwesten

1980 wurde die Firma Stockhausen in eine GmbH umgewandelt. Die Neuorganisation trat zum 1. Januar 1981 in Kraft. Die kundenbezogenen Aktivitäten – Marketing, Verkauf und Anwendungstechnik - waren in operativen Bereichen für Textil-, Leder- und Wasser- und sonstige Industriehilfsmittel sowie für Hautschutz zusammengefasst worden. 1993 kam ein Superabsorber-Bereich hinzu. Der Leder-Bereich wurde 1996 in die TFL GmbH, Weil am Rhein, eingebracht und inzwischen abgegeben. Der Textil-Bereich wurde im Jahr 2002 an die Bozzetto GmbH verkauft, die weiterhin am Standort Krefeld tätig ist. Im Jahr 2006 erfolgte der Verkauf des Bereichs für Wasserbehandlung an die Ashland Corp., die diesen durch die Ashland Deutschland GmbH, Krefeld, weiterführt.

Erfolg mit Superabsorbern

1976 hatte in Krefeld die Forschung an Superabsorbern begonnen. Das sind wasserunlösliche, vernetzte Polymere, die im Wesentlichen aus Acrylsäure hergestellt werden. Sie können große Mengen von wässrigen Flüssigkeiten aufnehmen und bilden stabile Hydrogele, die Flüssigkeit auch unter Druck nicht mehr abgeben. 1985 wurde ein Verfahren zur Herstellung eines besonders hochwertigen Superabsorbers, „Favor“, entwickelt, der vor allem in Hygieneprodukten wie Babywindeln eingesetzt wird. Daneben gibt es noch viele andere Anwendungsmöglichkeiten. 1986 ging die erste Großproduktionsanlage für das sehr erfolgreiche Favor in Krefeld in Betrieb. Innerhalb weniger Jahre folgten drei weitere Produktionsanlagen in Greensboro und in Krefeld. 1998 wurde eine Superabsorber-Anlage in Garyville, Louisiana, erworben. 2006 erfolgte zudem die Übernahme des Superabsorber-Geschäfts der Firma Dow Chemical Company, Midland, Michigan. Auf diese Weise kamen auch weitere Superabsorber-Produktionsanlagen in Rheinmünster bei Baden-Baden zum Unternehmen. 1998 übernahm Stockhausen in Marl die Acrylsäure-Anlage der Hüls AG und stellt seitdem auch den wichtigsten Rohstoff für Superabsorber her. 2001 wurde diese Anlage in ein Joint-Venture mit der Rohm & Haas Company, Philadelphia, Pennsylvania, eingebracht, was zu einer wesentlichen Produktionsausweitung führte. Superabsorber nehmen eine Spitzenposition auf dem Weltmarkt ein. Nach der Gründung von Evonik Industries im September 2007 wurde Stockhausen ein Teil des neuen Konzerns.