Der Leitgedanke Poolbetrieb

Münchsmünster

Anfang der 1970er Jahre errichteten die damaligen Firmen Hoechst AG, Frankfurt, die Gelsenberg AG, Essen und die Süddeutsche Kalkstickstoff-Werke AG, Trostberg, einen gemeinschaftlichen Petrochemie-Betrieb am Standort Münchsmünster. Ausschlaggebend für die Wahl des Standortes im bayerischen Donauraum waren die Nähe zu den Ingolstädter Raffinerien als Rohstoffquellen, das vorteilhafte Angebot an Industrieflächen sowie zahlreiche Arbeitskräfte in der Region. Von Beginn an bestand die Absicht, Gemeinschaftseinrichtungen gemeinsam zu nutzen, um sich Kosten der Infrastruktur zu sparen (Poolbetrieb). Insgesamt wurden in diesem Poolbetrieb 42 Betriebseinrichtungen, wie Energieversorgung, Werkstätten und Sozialeinrichtungen integriert. Eingegliedert in einen Produktaustausch-Verbund, arbeiteten alle drei Firmen jedoch juristisch eigenständig.

Die Installierung eines derartigen Poolbetriebs war damals einmalig in Deutschland und hat inzwischen mehrere Nachahmer bei verschiedenen Firmenkonstellationen gefunden. Heute umfasst der Industriepark Münchsmünster ein Areal von 125 Hektar und beschäftigt 750 Mitarbeiter. Trotz eines teils mehrfachen Gesellschafter- und Namenswechsels blieb die Produktpalette weitgehend gleich: Die Gelsenberg AG als chemischer Grundstoffhersteller (Ethylen, Propylen) firmierte 1978 zur Veba Oel AG und 1986 zur Ruhr Oel GmbH um und gehört heute zum BP-Konzern. Die Hoechst AG als Kunststoffhersteller (Polyethylen) gliederte 1997 diese Produktion in die Tochterfirma Hostalen Polyethylen GmbH aus, die 2000 in die Basell Polyolefine GmbH (ein BASF/Shell – Gemeinschaftsunternehmen) verschmolzen wurde.

Evonik Degussa Münchsmünster

1972 wurde in Münchsmünster eine Acrylnitril (ACN)-Anlage in Betrieb genommen. Durch den Bau dieser Anlage beteiligte sich die Hoechst AG mit 50% am Aktienkapital der Süddeutschen Kalkstickstoff-Werke AG. ACN diente zur Herstellung der Acrylfaser Dolan®, die im nahe gelegenen Werk Kelheim der Hoechst AG produziert wurde. 1976 startete SKW die Produktion von Cyanurchlorid, weitere Chlorcyanderivate folgten.

Die Lage des Standortes am nördlichen Rand der Hallertau, des größten Hopfenanbaugebiets der Welt, führte zur Entwicklung eines technisch innovativen Extraktionsprozesses von Hopfen. Ziel war es, weltweit einen hochwertigen und lagerfähigen Hopfenextrakt anbieten zu können. 1982 wurde eine Kohlendioxid-Hochdruckextraktionsanlage (Extraktion mit „überkritischem“ Kohlendioxid) erbaut, die zur Gewinnung von Hopfenextrakt aus frischem Hopfen, vorwiegend aus der Region, diente. Da diese Extraktion rohstoffbedingt nur saisonal erfolgen kann, wurde die Anlage zur ganzjährigen Auslastung auch zur Entkoffeinierung von Schwarzem Tee, hauptsächlich für den amerikanischen Markt, genutzt. Dieses Geschäft lief so erfolgreich an, dass 1988 eine weitere Kohlendioxid-Hochdruckanlage in Betrieb ging, die ausschließlich der Tee-Entkoffeinierung dient.