Anfang mit Monopolseife

Krefeld

Das heutige Krefelder Werk von Evonik Industries war bereits bei seiner Gründung ein Produkt des Erfolges; ganz ähnlich wie bei Röhm & Haas und Th. Goldschmidt, die von Esslingen nach Darmstadt bzw. von Berlin nach Essen umzogen, um die Herstellung von stark nachgefragten Produkten ausweiten zu können. Auch die 1880 gegründete Crefelder Seifenfabrik Stockhausen & Traiser war durch den großen Erfolg der von Julius Stockhausen entwickelten Monopolseife gezwungen, sich nach einem weiteren Standort umzusehen. Das alte Werk unweit des Krefelder Hauptbahnhofs bot keinerlei Erweiterungsmöglichkeiten mehr und ein unmittelbar angrenzend liegendes Krankenhaus verbot auch zahlreiche Produktionsverfahren einer Seifensiederei. Die Lösung fand sich ganz in der Nähe am Bäkerpfad. Dort entstand 1907 eine Fabrik zur Herstellung von Monopolseife - eine Spezialität, die in der Textilindustrie, besonders in der Seidenindustrie, zum Waschen der Stoffe verwendet wurde - und weiteren chemischen Produkten. Damit war bereits eine Trennung des Unternehmens vorprogrammiert, denn die beiden Werke waren organisch und räumlich nicht miteinander verbunden. Folgerichtig wurde am 1.12.1912 das Zweigwerk am Bäkerpfad rechtlich verselbständigt als Chemische Fabrik Stockhausen & Cie. Während Dr. Julius Stockhausen weiterhin das Stammhaus Traiser & Stockhausen leitete, beteiligte er sich nicht an der Neugründung. Deren alleinige Komplementäre wurden seine Söhne Adolf, Ferdinand, Julius und Hans, der die neue Firma bis zu seinem Tod 1951 sehr erfolgreich leitete. Die Farbenfabriken Bayer übernahmen den Export auch für dieses Unternehmen, beteiligten sich als stille Teilhaber daran und behielten diese Beteiligung bis zum Jahr 1991.

Die Chemische Fabrik Stockhausen & Cie., Werk Krefeld, Ansicht von Nordwesten, nach 1912

Aufgebaut und abgebrannt

Das neue Zweigwerk am Bäkerpfad war zunächst vom Unglück verfolgt. Kaum in Betrieb, brannte es im Mai 1909 vollständig aus. Dem Wiederaufbau ab 1910 und der Anlage eines eigenen Gleisanschlusses 1911 folgten dann allerdings bessere Zeiten. Auch im Ersten Weltkrieg wurde die Produktion - nahezu ausschließlich Textil- und Leder- und Pelzhilfsmittel - der noch sehr kleinen Fabrik stetig ausgeweitet. Zu den bedeutenderen Neuentwicklungen zählten in den 1920er Jahren sulfonierte Öle, die sich unter dem Handelsnamen Praestabit als Hilfsmittel für die Textilfärbung einen guten Namen machten. 1934 begann in Krefeld die Produktion von PRAECUTAN und damit von Mitteln für die menschliche Hautreinigung und für den Hautschutz, die bis heute unter zahlreichen Produktnamen in verschiedenen Produktserien (STOKO, PRAECUTAN u. a.) im Geschäftsgebiet STOKO Skin Care hergestellt werden.

Versand mit LKW und Fuhrwerken in den 1930er Jahren

Deutschland war vor dem Zweiten Weltkrieg ein Importeur von Ölen und Fetten. Daher bewirkten die von den nationalsozialistischen Machthabern geförderten Autarkie-Bestrebungen sowie dann ab 1939 der Krieg einen starken Rückgang der Fett- und Ölimporte. Diese Rohstoffe, auf denen die Textilhilfsmittelproduktion im Werk Krefeld basierte, wurden derart knapp, dass eine starke Drosselung der Produktion die Folge war. Auch wenn das Werk am Bäkerpfad in Krefeld, den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschädigt überstand, so war 1945 die Zukunft doch sehr ungewiss.

Neuer Produktionsbetrieb, 1960

Hautschutzmittel als Rettungsanker

Die Hautschutzmittel wurden letztlich zum Rettungsanker des Werkes, da ihre Herstellung in provisorisch hergerichteten Räumlichkeiten von der britischen Besatzungsmacht ausdrücklich gefördert wurde. Nach der Währungsreform lief dann auch die Herstellung von Textil- und Lederhilfsmitteln wieder an. Da man erkannte, dass diese Unternehmensbasis zu schmal sein würde, sah sich Stockhausen nach neuen Produkten um. Ab 1952 wurde das Flockungsmittel Praestol ein Erfolg, das in Kohleaufbereitungs- und Kläranlagen eingesetzt wurde. Noch heute wird es von der Ashland Deutschland GmbH, an die der Bereich Wasserbehandlung 2006 verkauft worden war, am Standort Krefeld produziert.

Das Werk Krefeld von Nordwesten, 1967

Superabsorber als Meilenstein

Ein Meilenstein für das Werk Krefeld war die Entwicklung von Superabsorbern, für die 1986 die erste Produktionsanlage in Betrieb genommen wurde. Diese werden unter anderem in Babywindeln und im Bereich der Damenhygiene eingesetzt. Ein Welterfolg, dem weitere Produktionsanlagen in den USA und in Krefeld sowie 1998 die Übernahme der Acrylsäureproduktion der Hüls AG in Marl mit erheblicher Ausweitung der Produktionskapazität folgte. Superabsorber werden außerdem eingesetzt als Löschmittelzusatz für die Brandbekämpfung sowie als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft, um die Feuchtigkeit in Wurzelnähe zu halten. Der Erfolg der Superabsorber war auch deshalb möglich, weil Stockhausen und damit das Werk Krefeld 1991 mehrheitlich und 1996 vollständig in den Besitz der Hüls AG gelangt war und somit eine kapitalkräftige Konzernmutter gefunden hatte.

Auch bei Evonik Industries spielt das Werk Krefeld eine wichtige Rolle, die maßgeblich durch die Bedeutung der Superabsorber bestimmt wird.